post-title Nachlese: Ankommen – wie kann es funktionieren?

Nachlese: Ankommen – wie kann es funktionieren?

Nachlese: Ankommen – wie kann es funktionieren?

Blick auf ein Schild

Beim Demokratie-Raum am 8. November 2020 führte Renate Schwalenberg-Leister mit Sylvie Janka durch das Thema: Ankommen – wie geht das? In dieser Austausch-Runde ging es um persönliche Erfahrungen: Wann bin ich an einem Ort wirklich angekommen? Was braucht es dazu? Kann man überhaupt zu 100% an einem Ort oder in einem Umfeld Ankommen? Gibt es einen Unterschied zwischen Wohnen und sich Zuhause fühlen?

Ankommen

Menschen in meinem Ort, meiner Stadt kommen von überall her. Von anderen Orten in der Region, der BRD, von anderen Ländern und Kontinenten. Manche sind hier geboren, aber vielleicht ihre Eltern/Großeltern nicht. Wie kann das Ankommen gelingen?

Zum Ankommen selbst gibt es keine belegbaren Fakten und Daten. Ankommen ist ein Prozess,

  • der leicht gehen kann,
  • der vielleicht unaufgeregt „step-by-step“ (Schritt für Schritt) vorangeht oder
  • der überfordert, der nur ein Aushalten wird, an dem man auch zerbrechen kann.

 

Main im Vordergrund mit Blick von Großauheim in Richtung Hanau

Blick von Großauheim nach Hanau

Was braucht es, um an meinem Ort, meiner Stadt anzukommen?

Nehmen wir Hanau als Beispiel, eine Stadt, die oft erst auf den 2. Blick lebenswert/liebenswert erscheint.

Um zu wissen, wo man hin will, ist es wichtig zu wissen, wo man herkommt.

Die Teilnehmer:innen haben sehr unterschiedliche Lebensläufe, in denen die räumliche Mobilität und das Ankommen eine Rolle spielen. Für sie bedeutet das Thema:

  • in der Hanauer Umgebung aufgewachsen und jetzt in Hanau wohnend und arbeitend zu sein, Grund: um Fahrtzeiten zur Arbeit hin und zurück zu sparen,
  • sehr oft umgezogen zu sein (diverse Orte / Städte, europaweit), sogar 10-20 mal,
  • hier im Rhein-Main-Gebiet über 20 Jahre gewohnt zu haben, gerne und gut, aber nun zum Ursprungsort zurückgekehrt zu sein, wo man aufgewachsen ist, in einem anderen Teil der Republik,
  • erzwungene Ortswechsel (Asyl), mit dem Erwerb der deutschen Sprache, was absolute Priorität hat,
  • berufsbedingte Ansiedlung in einem Hanauer Stadtteil, dort lebend seit fast einer Generation.

Die Teilnehmer:innen haben hanauer, norddeutsche, ostpreußische, russische, türkische, albanisch/griechische, oberschlesisch/italienische,… Wurzeln.

Fazit: Ortswechsel fanden und finden immer und überall statt. Das Ankommen ist ganz normale Realität in früheren und jetzigen Zeiten. Es gehört zum Alltagsleben.

Wie wichtig ist das soziale / private Ankommen? 

Vor einem Tresen steht eine gemischte Gruppe von 4 Menschen - 2 Männer und  2 Frauen

Das soziale Ankommen war für alle besonders wichtig. Erst dann fühlt man sich in einem neuen Ort angekommen.

Das gelingt oft nicht einfach so!!!

„Neubürger:innen“ beziehen sich aus dem Grund eher auf vorhandene Kontakte. Es werden Kontakte aus früheren Zeiten, z. B. dem Studium, dem Berufseinstieg, …, gepflegt – im digitalen Zeitalter ist das ganz leicht.

Teilnehmer:innen vermissen die Möglichkeiten, leicht Kontakt aufzunehmen.

Ein Teilnehmer formuliert, dass er sich einen Tresen wünscht, an den man sich einfach dazu stellen kann, um zu klönen / quatschen – an dem man zwanglos ins Gespräch kommt …

Das führt zu der Frage:

Wo gibt es kostenfreie, „niedrigschwellige“ Treffpunkte?

Gibt es diese in Hanau? Das konnte in der Kürze der Zeit nicht geklärt werden. Vereine, egal welcher Art, wurden nicht wirklich als Kontaktstelle in Betracht gezogen.

Für Menschen, die ihr Land aus politischen, kriegerischen Gründen verlassen mussten, sind Kontakte zu gleichgesinnten Landleuten besonders bedeutsam. Diese wohnen oft nicht direkt um die Ecke, sondern in der näheren Region.

Der Spracherwerb, die Familienaufgaben und die berufliche Orientierung verbrauchen alle Energien, so dass Kontakte zur nahen Umgebung kaum möglich sind.

Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie sich, auch nach 4 Jahren hier in Hanau, nur mit „Renate und 1 Nachbarin“ austauscht.

Wie und wo erfahre ich, wie hier alles an „meinem neuem“ Ort funktioniert?

Zum Ankommen gehört, dass man kennenlernt, wie der Ort, an dem man lebt, „funktioniert“, um ihn besser verstehen zu können. Ein Teilnehmer berichtet, dass er erst durch seine Arbeit sehr viel mehr über Hanau erfahren hat: „wie der Kosmos Hanau tickt“.

Teilnehmer:innen wünschten sich für das Ankommen in dem neuen Ort so etwas wie einen Paten / eine Patin, eine Person, die weiß, was da ist, welche Möglichkeiten in dem Ort vorhanden sind.

Es wurde angemerkt, dass das Ankommen im höheren Alter schwerfallen kann. Es fällt nicht leicht, die vorhandenen Strukturen zu erkennen oder sich darauf einzustellen.

Positiv wurde in Hanau der Neubürgerempfang am Bürgerfest besprochen, der „hat gutgetan“.

Eine Empfehlung eines Teilnehmenden: Bei dieser Gelegenheit könnte man mehr über Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements informieren. Teilnehmer:innen bestätigten, dass ehrenamtliche Aufgaben, zivilgesellschaftliches Engagement, sehr hilfreich ist, um den aktuellen Wohnort kennenzulernen. „Man versteht vieles besser und es öffnet die Tür zu neuen Kontakten“.

Eine Gruppe von Menschen in Warnwesten, die vor einem Zebrastreifen stehen. Dort erklärt eine Frau im Rollstuhl Regeln.

Engagierte Menschen

Blickwechsel auf 2021: Mein Ort ist voller Lösungen?!?!

Bei der Frage „Was braucht es, um gut anzukommen?“ wurde betont, dass es unterschiedliche Bedürfnisse beim Ankommen gibt.

„Geht es um Leute, die um die 30 Jahre alt sind, die aus beruflichen Gründen hier ankommen möchten? Oder ist es die alleinerziehende Mutter mit Kindern? Oder sind es ältere Menschen, die sozial ankommen möchten? Oder sind es Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund?“

Bei diesen sehr verschiedenen Bedürfnislagen sind unterschiedliche Formate / Angebote / Schritte nötig, um das gelingende Ankommen zu ermöglichen.

Patenschaftliche Begleitung vor Ort, durch Menschen, die schon lange hier leben, wäre toll. Von der Stadtverwaltung sollte man solche Dinge in den Blick nehmen.

Teilnehmer:innen formulieren, dass man unbedingt dran bleiben müsse, um eine offene Gesellschaft zu etablieren bzw. zu erhalten. Bei der momentanen Sorge um ein Auseinanderfallen der Gesellschaft ist das ein bedeutsamer Faktor.

Eine Geste für eine offene Gesellschaft ist zum Beispiel, sich bei Begegnungen zu grüßen. Egal, ob man sich kennt oder nicht. Hier in Hanau / Hessen ist es üblich, erst einmal wegzuschauen, leider!! (Wir Hessen sind häufig eher stoffelig!)

Ankommen – Bleiben, ein langwieriger, sehr komplexer Prozess.

Ein Rundum-Ankommen gibt es nicht. Es sind viele kleine Schritte nötig und es geht nicht ohne Aktivität vom Einzelnen und den Anderen drumherum.

In Corona-Zeiten gibt es aktuell nicht die Möglichkeit, sich einfach an einem Tresen zu treffen, um das Ankommen unkompliziert zu gestalten.

Idee: Wie wäre es mit einem digitalen „offenen“ Tresen bei Menschen in Hanau?

Hans Christian Andersen hat schon gewusst: „Leben ist nicht genug“, sagte der Schmetterling. „Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muss man auch haben.“

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