Dr. Judith Lechner begann den Demokratie-Raum 19. Februar – Lässt sich Rassismus verlernen? mit einer Gedenkminute an die Verstorbenen des 19. Februar 2020. Jeder Name wird von Merve laut vorgelesen. SAY THEIR NAMES. Durch dieses Gedenken sind alle 13 Teilnehmer – auch emotional – sofort mitten im Thema.
Als Gesprächspartner ist Hagen Kopp eingeladen. Er setzt sich mit seinen Mitstreiter:innen der Metzgerstraße für Geflüchtete ein.
Nach dem 19. Februar war er unmittelbar nach dem Attentat im Einsatz um sich gemeinsam mit dem Team der Initiative 19. Februar um die Familien und Freundinnen der Opfer zu kümmern. Hagen Kopp berichtet, wie die Hinterbliebenen die Tage und Wochen nach dem Anschlag erlebt haben. Ein wichtiger Ort des Treffens zum Trauern und Austauschen von Informationen wurde ein Raum am Heumarkt. Dieser Treffpunkt hat seit dem nicht an Bedeutung verloren.
Die 4 Forderungen der Initiative:
Erinnerung – Gerechtigkeit – Aufklärung – Konsequenzen
waren schon oft zu lesen und zu hören. In dieser Diskussionsrunde wurden Sie durch die eindringlichen Redebeiträge von Hagen Kopp verstehbar.
- Erinnerung.
Demonstrationen oder Kundgebungen können helfen, die Erinnerung wachzuhalten. Öffentliche Aufmerksamkeit ist wichtig, um Druck zu erzeugen, damit tatsächlich Änderungen eintreten. Ein Mahnmal kann als Spiegel des Alltagsrassismus dienen.
- soziale Gerechtigkeit.
Wie geht es den Angehörigen? Viele leiden unter dem Verlust eines geliebten Menschens. Viele sind durch den Tod des Menschen zusätzlich in wirtschaftliche Not geraten. Ein Opferfonds ist erforderlich, um den Hinterbliebenen ein Mindestmaß an Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
- Aufklärung.
Wie entsteht Rassismus in unseren Köpfen. Was ist Rassismus und wer erlebt ihn in welcher Form? Das Thema muss in der Öffentlichkeit diskutiert werden, damit ein Umdenken möglich wird.
Aber die Aufklärung betrifft auch die öffentlichen Verwaltungen und Behörden. Da der Täter tot ist, gibt es keinen Prozeß, der aufklären könnte, warum die Ankündigung des Täters auf seiner Internetseite nicht wahrgenommen wurde. Aus welchen Gründen wurden auch andere Auffälligkeiten des Täters seitens der Behörden nicht weiter verfolgt? Wieso war der Täter trotz seines auffälligen Verhaltens und seiner radikalen Webseite im legalen Besitz eines Waffenscheins und einer Waffe?
- Konsequenzen.
Taten müssen den Worten folgen. Wie arbeitet eine Gesellschaft auf, was falsch gelaufen ist? Wie konnte es soweit kommen? Das Attentat von Hanau darf sich nicht mehr wiederholen. Rassisten müssen entwaffnet werden.
Gözde Saçıak ist ebenfalls in diese Runde eingeladen. Die Leitung der Projektkoordination der im Juni 2020 eingerichteten DEXT-Fachstelle Hanau liegt in Gözde Saçıaks Hand.
Warum tun sich Behörden so schwer damit tun, Rassimus zu benennen und aktiv gegen rechtsextreme Netzwerke vorzugehen?
- Gözde Saçıak untersucht, welchen Bedarf an Hilfe bzw. welche Unterstützung die Stadt Hanau benötigt
- Gözde Saçıak kümmert sich um externe Fachleuete und organisiert Schulungen für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung
- Gözde Saçıak hilft zu erkennen, welche rassistischen Strukturen in der Verwaltung bestehen und was getan werden kann. Dabei ist insbesondere die Offenheit und Selbstreflexion der Angestellten zu sensibilisieren.
Zugleich wird appelliert, Rechtsextremen keinen Raum in öffentlichen Medien zu geben. In Talkshows oder Zeitungsbeiträgen werde Rechtsextremen zu viel Raum für Ihre Meinungen gegeben. Das ständige Wiederholen führt zum Glauben an die menschenverachtenden Aussagen. Das rechte Gedankengut infiltriert z.B. auch auf diesem Weg die Mittelschicht.
Als Beispiel wird in der politischen Diskussion das Statement von Innenminister Seehofer genannt, der keine Untersuchung zu Rechtsextremismus in der Polizei zulassen wolle. Rechtextreme erkenne man eben nicht einfach an Ihrer Glatze und den Stiefeln, das Problem ist vielschichtig. Eine Untersuchung ist notwendig.
Viele erleben rassistische Äußerungen in Ihrem Bekanntenkreis – trauen wir uns dagegen zu halten, und unsere Bekannten darauf hin zuweisen? Was ist mit unserem persönlichen Standing in solchen Situationen?
Eine schnelle Lösung gibt es nicht. Wir alle können dazu beitragen, in dem wir uns darüber austauschen, informieren, den Betroffenen zuhören und ihnen Raum in der Öffentlichkeit geben. Ein Schritt dorthin ist dieser Diskussion-Raum.