Anlässlich der Weltfrauenwochen 2021 hat das Forum für Interkulturellen Dialog e. V. (FID) 4 Frauen eingeladen, die aus ihrem Leben berichteten.
In der Online-Veranstaltung, unter anderem in Kooperation mit Menschen-in-Hanau e.V., wurden Lebenswege der Frauen vorgestellt und ihre Entwicklungen nach ihrer Ankunft in der BRD beschrieben. Die Moderatorin Büsra Cebi führte sehr angenehm durch den Abend. Zunächst wurde jede Frau in einem Video vorgestellt und stand anschließend digital für weitere Fragen der Moderatorin zur Verfügung.
Einblicke in ihre Biografie gaben Dr. Elina aus der Ukraine, Aura aus Mexiko, Necla aus der BRD und der Türkei und Tuba aus der BRD und der Türkei.
Dr. Elina (Odessa/ Ukraine) arbeitete vor ihrer Flucht als Dozentin an der Universität in Odessa. Sie hat dort einen türkischen Mann geheiratet und hat 3 Kinder zusammen mit ihm. Zu der Zeit des Putsch-Versuchs in der Türkei sollten türkische Lehrer im Ausland zwangsweise in die Türkei gebracht werden. Das konnte Elina knapp verhindern. Die Familie floh 2016 nach Deutschland. Erste Herausforderung war das Erlernen der deutschen Sprache. Heute ist ihr Plan, eine Ausbildung als Erzieherin im Sommer zu beginnen. Ihr langfristiger Wunsch ist es mit ihrem Mann eine eigene Kita aufzumachen.
Aura (Mexiko) hatte wegen der Liebe ihr Heimatland verlassen und ist nach Deutschland gekommen. Leider war die Liebe nicht von Dauer. Auch hier war die große Herausforderung, die deutsche Sprache zu erlernen, was ihr gut gelungen ist. Aktuell arbeitet sie als Assistenzärztin im Landkreis Waldeck-Frankenberg. Beim Einleben in Deutschland und den schweren Zeiten haben ihr besonders die persönlichen Kontakte geholfen.
Necla, (Deutschland – Hanau) ist 1975 in Deutschland geboren. Ihre Eltern kamen Anfang der 70er Jahre als Gastarbeiter aus dem Osten der Türkei nach Deutschland. Sie ist das 3. von 7 Geschwistern.
Sie und ihr Mann entschlossen sich eine Baufirma zu gründen, entgegen ihres Umfeldes, das ihnen solch ein Unterfangen nicht zutraute. Mit der Hilfe weniger Freunde schafften sie es ein Projekt mit 67 Neubauwohnungen zu initiieren. Im Jahr 2005 wurde sie Geschäftsführerin ihrer eigenen Firma. Necla und ihr Mann eröffneten gemeinsam ihr erstes Hotel in Aschaffenburg. 2015 übernahmen sie ihr 2. Hotel in Frankfurt. Am Abend war es für Necla wichtig, sich für mehr Frauen in den Vorständen der Wirtschaft auszusprechen.
Tuba (Hanau /Türkei) war in Hanau Lehrerin. 2010 haben sie und ihr Mann entschieden, in der Türkei zu leben, in einer Stadt 1300 km östlich von Istanbul. Auch dort wurden nach dem Aufstand 2016 türkische Männer blitzartig als Terroristen verhaftet, so auch ihr Mann, der 18 Monate im Gefängnis blieb. Tecla kehrte mit 2 Töchtern (8 und 1 Jahr) nach Hanau zurück mit vielen schwierigen Erfahrungen im Gepäck. Sie musste ihr Leben als alleinerziehende Mutter organisieren mit der Unsicherheit, wie es ihrem Mann im Gefängnis geht. Heute arbeitet Tecla in Integrationsprojekten. Nach 18 Monaten Haft konnte ihr Mann aus der Türkei ausreisen und arbeitet jetzt als Wissenschaftler.
Es waren sehr ergreifende Geschichten. Die Betroffenheit der Zuhörer:innen während der Erzählungen der Flucht war zu spüren. Sehr beeindruckend war zu hören, welche Kräfte jede Frau mobilisieren konnte, um die nächsten Schritte zu tun. Sie berichteten, dass sie ein besonderes Vorbild für ihre Kinder sein wollten, obwohl sie selber auch Hilfe gebraucht hätten. Schritt für Schritt haben sie viele Herausforderungen erfolgreich bewältigt und haben eine berufliche Perspektive entwickelt.
Wir danken dem Forum für Interkulturellen Dialog e. V. für die Organisation der Veranstaltung in Kooperation mit Menschen in Hanau e. V., Gegen Vergessen für Demokratie e.V., der Initiative für Menschenrechte und Freiheit (IHRF), und Evotopia e. V.
Notiert von Renate Schwalenberg-Leister
Nachtrag zur Lage der Frauen in der Türkei:
- Circa 600 Kinder wachsen in den türkischen Gefängnissen auf, da ihre Mütter dort inhaftiert sind.
- Zwischenzeitlich hat der türkische Präsident das Instanbuler Konvention aufgekündigt.
- Es fand am 21. 03. 2021 ein weltweiter virtueller Protest für die Frauenrechte statt (s. Anhang) (Silenced Turkey)
- Laut Zeitungsnachrichten wurden am letzten Montag in Diyarbakir 22 Frauen verhaftet. Es handelt sich offenbar um Aktivistinnen des dortigen Frauenrechtsvereins Rosa.
Literatur-Tipp:
Good Night Stories for Rebel Girls – 100 Migrantinnen, die die Welt verändern
von Elena Favilli (Autorin) und von Birgitt Kohlmann (Übersetzerin)
Herausgeber : Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG 2020 – Gebundene Ausgabe : 224 Seiten – Lesealter : 10 – 12 Jahre
ISBN-10 : 3446268057