Am 15. Juli 2021 wurde zu einem ersten Akteurs-Treffen (online) zum neuen geplanten „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“ (ZDV) eingeladen . Es nahmen etwa 36 Menschen vor allem aus dem öffentlichen Bereich (städtische Angestellte, Stadtteilzentren) und Hanauer Vereine und Initiativen aus dem Themenfeld teil.
Moderiert wurde das digitale Treffen von Dominik Kuhn, Geschäftsführer bei Ballcom GmbH.
Er interviewte zunächst den Bürgermeister Axel Weiß-Thiel. Danach fanden 2 Workshops unter der Leitung von Andreas Jäger, dem Leiter der Fachstelle „Vielfalt“ (siehe auch Anmerkung am Ende), und Sylvie Janka, Geschäftsführerin von Janka-Orga für zivilgesellschaftliche Projekte, statt.
Nach dem Willen der Stadt soll das Zentrum für Demokratie und Vielfalt (ZDV) ein gemeinsames Erinnern initiieren, den Dialog suchen, Wissen teilen und vermitteln, moderieren und dabei helfen, Antworten zu finden.
Das Projekt ZDV wurde bereits im September 2020 von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung der Stadt Hanau beschlossen.
Ziel des ersten Akteurs-Treffen war auch die breite Öffentlichkeit in die Ideenfindung und die Planung einzubinden.
Wir von Menschen in Hanau waren an diesem Treffen beteiligt, und möchten hier unsere Ideen zum ZDV noch einmal deutlich formulieren und festhalten. Dazu greifen wir auf die 4 Fragen zurück, die in den Arbeitsgruppen gestellt wurden.
1. Was gehört zu einem guten Zusammenleben in der Stadt Hanau?
Diese Frage ist eines der Hauptthemen von Menschen in Hanau. Damit beschäftigen wir uns mehr oder weniger in allen Diskussionsrunden; und auch bei unseren Aktionen geht es im Grunde um diesen Aspekt.
„Zusammen“ heißt schon mal, dass alle Bürger:innen dazugehören, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Glaubensrichtung, politischer Einstellung, und welche Kriterien man auch immer für Differenzierungen heranziehen mag.
Wir leben in Hanau, und wir wollen unser Zusammenleben gestalten.
Daran beteiligen sich die Bürger:innen natürlich unterschiedlich intensiv; die Einen leben sehr zurückgezogen; die Anderen bringen sich intensiv ein. Das ist in unserem demokratischen System so möglich.
Für uns ist wichtig, dass wir die Unterschiede zwar erkennen und benennen können, diese sich aber nicht als Argumente für abfällige Bemerkungen, Hass und gar Gewalt eignen.
Es gibt sicher (sehr) unterschiedliche Meinungen und Lebensweisen; diese sind zu tolerieren, solange sie sich innerhalb der verfassten Regeln bewegen.
Bei extremen Handlungen gibt es Institutionen, die beurteilen und aktiv werden, wenn das Verhalten inakzeptabel wird.
Aber auch diese Institutionen können kritisiert werden; dabei ist eine freie Presse ein unverzichtbarer Helfer.
Wir als Stadtgesellschaft müssen dafür sorgen, dass allen Gruppen ausreichend Gehör verschafft wird.
Dazu gehören neben den verfassten Organen auch Initiativen, Vereine, Verbände, Aktionen. Wir brauchen aber auch Plätze, an denen man sich zum Austausch und zur Diskussion treffen kann. Ein solcher Platz kann das ZDV werden. Dazu gehört die Förderung und Unterstützung entsprechender Initiativen.
Unser Stadtbild in Hanau soll angenehm und „schön“ sein, wir brauchen Plätze zum Ausruhen und Straßen zum Flanieren. Menschen müssen sich an Orten treffen und sehen können; dann haben Ablehnung und gar Hass weniger Chancen.
Zu einem guten Zusammenleben gehört eine Erinnerungskultur. Wir haben im Jahr 2020 einen mörderischen Anschlag erlebt, den 9 junge Menschen nicht überlebten und bei dem viele andere körperlich und seelisch verletzt wurden.
Die ältere Generation erinnert sich zum Teil noch an die völlige Zerstörung Hanaus und die Verfolgung ihrer Mitbürger durch die Nationalsozialisten. Diesen Menschen muss auch im neuen ZDV gedacht werden können.
2. Wobei kann das ZDV Sie in Ihrer Arbeit unterstützen?
Wir sind aus einer Initiative hervorgegangen, waren dann längere Zeit mit einer NGO (gemeinützigen Verein) verbandelt. Das hat uns einerseits geholfen, aber andererseits auch gehemmt.
Wir denken, dass das ZDV gerade jungen Initiativen und Gruppen helfen könnte,
- sich zu organisieren,
- Fördergelder zu beschaffen,
- Räumlichkeiten zu finden,
- bürokratische Hemmnisse zu reduzieren und
- Öffentlichkeit herzustellen.
MiH ist inzwischen in Hanau bekannt; trotzdem ist es wichtig, neue Kooperationspartner:innen zu finden und Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuprobieren. Auch hierbei kann das ZDV eine Plattform bieten.
Es gibt in Hanau bereits diverse Stellen, Räume und Plätze, an und in denen zivilgesellschaftliches Engagement stattfindet. Diese gilt es weiter zu öffnen, bekannt und zugängig zu machen. Das hilft diesen Orten wiederum, lebendige Orte des Zusammenlebens zu bleiben oder zu werden. Bei der organisatorischen Arbeit dazu kann das ZDV helfen.
Wir wünschen uns, dass das ZDV keine Konkurrenz zu „bestehenden Räumen“ wird sondern „bestehende Räume“ vernetzt, integriert, neue Initiative ermöglich und mit bestehenden verknüpft.
3. Wie würden Sie sich gerne in das Zentrum einbringen?
MiH haben inzwischen eine gute Gesprächskultur etabliert. Diese können wir im neuen ZDV weiter pflegen und zeigen. Es ist immer wieder beeindruckend, welche neuen und inspirierende Ideen in solchen Diskussionen entstehen und von ihnen mitgenommen werden.
Unsere Initiativ-Gruppen (Checker:innen, Weltverbesser:innen) sind inzwischen bekannt und als kompetente Gesprächspartner willkommen. Hier wird besonders der Gedanke der Vielfalt gepflegt, gelebt und nach außen vertreten. Menschen mit Besonderheiten, die oft in unserer Gesellschaft vergessen und übersehen werden, verschaffen sich hier Gehör und Gesicht. Sie können ähnlich Betroffene anregen, ebenenfalls aktiv zu werden und damit zur bewussten Vielfalt in unserer Stadt beitragen.
4. Was erhoffen Sie sich konkret vom ZDV?
Aufgrund der Erfahrungen in bereits bestehenden Zentren erwarten wir vom ZDV zunächst einmal durchgehende Barrierefreiheit. Diese hat diverse Aspekte: Da denkt man zunächst vielleicht erst einmal an Rollstuhlfahrer und Rolli-Benutzer (keine unüberwindbaren Stufen). Dann haben wir Menschen, die Einschränkungen beim Sehen und Hören haben (ausreichende Kontraste). Im Zeitalter der Digitalisierung muss der Zugang zum Internet durchgängig leicht herstellbar sein.
Jede:r soll sich dort willkommen fühlen (geschultes Empfangspersonal).
Es soll vielfältige Hilfe zur Vernetzung geben (Auslage von Flyern, ausgestellte Plakate, farbige Displays, geschultes Personal).
Bei all dem Trubel ist es wichtig, dass es einen Ort der Ruhe, des Innehaltens und des Gedenkens gibt, in den sich jede:r ohne Bezug auf Glaubensrichtung und Weltanschauung zurückziehen kann, und in dem vielleicht auch kleine Gedenkveranstaltungen stattfinden können.
Wir von Menschen in Hanau e.V. wünschen dem Projekt und dem neuen Zentrum eine dem Ort, den Anlässen und dem Zweck angemessene Planungs- und Diskussionsarbeit und am Ende ein gutes Gelingen zum Wohle unserer Bürger:innen. Wir beteiligen uns gerne weiter intensiv.
Anmerkung:
Zu dem Zeitpunkt der Veranstaltung war Andreas Jäger noch Leiter der Fachstelle Vielfalt, die zum Fachbereich 5 gehörte. Die Stadt Hanau hat vom 1. August an die Fachstellen für Vielfalt und für Sport in einem neuen Amt zusammen geführt. An der Spitze des Amtes für Demokratie, Vielfalt und Sport steht der bisherige Leiter der Fachstelle Sport, Thomas Ritter bis zum 30.09.2021 und ab 1. Oktober wird Andreas Jäger, bisher Leiter der Fachstelle für Vielfalt, die Leitung des Amtes übernehmen.
Die beiden Fachstellen werden aufgelöst.