Am 11. Januar diesen Jahres habe ich im engsten Familienkreis (Ehemann, 2 Kinder, 2 Enkelkinder) meinen 80. Geburtstag gefeiert. Ich fühlte mich voller Elan. Ich glaube, dass ich einiges für mein Immunsystem tue und bei gewissen Wehwechen aktiv dagegen angehe. Scheitern gehört dazu. Aber ich hatte stets ein Gefühl von Kontrolle und Eigenverantwortung.
Am Anfang der ganzen Maßnahmen gegen die Pandemie fand ich alles logisch und einleuchtend, ich hielt die Maßnahmen für absolut richtig. Dass wir Alten als besondere Risikogruppe gelten, war ok, denn die Vielzahl der Toten ließ keinen anderen Schluß zu. Ich fühle mich nicht einsam, da ich rege Telefonkontakte und Whatsapp mit Kindern und Enkelkindern habe.
Im Laufe der Wochen schleicht sich unterschwellig Angst vor der Begrenztheit des Lebens ein. Der Gedanke an sich ist ja für eine Achtzigjährige nicht abwegig. Aber die konstante, sich täglich wiederholende Einhämmerung von alt und Gefährdung verursacht ein anderes Lebensgefühl. Ein Gefühl von Hilflosigkeit und Kontrollverlust. Ich wehre mich dagegen. Einfacher wäre es, ich würde mich aus dem Medienkarussel ausklinken, aber als jahrzehntelange tägliche Zeitungsleserin weiß ich noch nicht die richtige Strategie.
Ich hätte gerne mein altes Lebensgefühl wieder: und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. (Martin Luther)
Gastbeitrag von Marlies, Jahrgang 1940