post-title Kniebeugen auf dem Balkon – Ideen zum Alltag während Corona von Silvia Schäfer

Kniebeugen auf dem Balkon – Ideen zum Alltag während Corona von Silvia Schäfer

Kniebeugen auf dem Balkon – Ideen zum Alltag während Corona von Silvia Schäfer

Balkon-Szene

Silvia Schäfer, Vorsitzende der BG Hanau des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen e. V., erzählt aus ihrem Alltag zuhause während der Corona-Zeit. Was oder wer ist „Pronto“? Wie beschäftige ich mich während Corona zuhause?

Silvia Schäfer erzählt. Sie sitzt in einem Sessel auf der Bühne im Kulturforum.

Silvia Schäfer erzählt von ihrem Alltag während Corona

Mein wichtigstes Hilfsmittel ist „Pronto“, ein Organizer mit Brailleschrift und Sprachausgabe. Sowohl beruflich, als auch privat und im Ehrenamt ist er mein ständiger Begleiter. Oft nutze ich ihn, um Termine einzutragen und mir einen Überblick über meine bevorstehenden Aufgaben zu machen.

Im Moment ist es aber eher umgekehrt. Heute schaute ich in den Kalender und begann, einen Termin nach dem anderen zu löschen.

3 Beratungen bei Blickpunkt-Auge in dieser Woche müssen abgesagt werden, denn das „Haus am Steinheimer Tor“ ist vorerst geschlossen.

Mein Englischkurs fällt aus, Workout ebenso und das Kieser-Studio hat nun ebenfalls geschlossen. Ein geplanter Museumsbesuch und eine Wanderung mit der Bezirksgruppe können nicht stattfinden. Also, auch das löschen. Wie geht es weiter? Stammtisch und Kaffeenachmittag? Löschen, Hilfsmittelausstellung im April – weg damit.

Besonders bedauerlich: Der Abend mit Dieter Nur fällt aus, wird allerdings im Dezember nachgeholt.

Weiter habe ich erst einmal nicht aufgeräumt, denn mein leerer Kalender ist mir doch etwas unheimlich.

Noch haben wir eine Ausgangssperre „light“, das heißt, wir dürfen zur Arbeit gehen, wenn HomeOffice nicht möglich ist, wir können spazieren gehen, möglichst alleine oder maximal zu zweit, auch Einkaufen und Arztbesuche sind gestattet.

Es heißt, vermeidbare Sozialkontakte sollten unterbleiben. Welche Kontakte sind wirklich vermeidbar? Komme ich ganz alleine zurecht? Ich bin zwar sehr selbständig, aber eben blind und damit doch nicht ganz so mobil wie andere.

Stellt sich die Frage, wie organisiere ich mein Einkaufen, Spazierengehen und vor allem, wie fülle ich nun meine Tage, wenn ich zuhause bleiben soll.

Zum Glück kann ich bei meiner beruflichen Tätigkeit größtenteils im HomeOffice arbeiten. Da derzeit sowieso niemand zu mir in die Beratungsstelle kommen darf, bleibe ich zuhause im heimischen Büro. Hier kann ich auf meinen Arbeits-Computer aus der Ferne zugreifen und alles erledigen, was notwendig ist. Der erste Vorteil meiner kontinuierlichen Arbeit zuhause wird schnell ganz offensichtlich.

Lange schon schiebe ich die Aktualisierung einer akustischen Bedienungsanleitung vor mir her. Immer kam etwas anderes dazwischen, das im Moment gerade wichtiger war. Bei dieser Arbeit brauche ich absolute Ruhe und Konzentration, was am besten zuhause klappt. Hier habe ich auch die technischen Voraussetzungen eines Tonstudios. In dieser akustischen  Bedienungsanleitung werden Apps beschrieben, die blinde und sehbehinderte Menschen in die Lage versetzen, sich ihren Alltag mit Hilfe eines iPhones zu erleichtern.

Nun sitze ich schon seit 5 Tagen am Mikrofon und komme richtig gut voran.

Aber außer der beruflichen Beschäftigung muss ja auch noch etwas Abwechslung in den Tagesablauf gebracht werden. Was bleibt noch?

Momentan beginne ich meinen Tag mit einer flotten Runde auf dem Cross-Trainer. Dabei höre ich über meine Alexa eine Zusammenfassung der aktuellen Nachrichten oder einfach Gute-Laune-Musik. Bewegung bleibt sehr wichtig, auch wenn man nicht nach draußen kann. So baue ich zwischendurch immer mal wieder ein paar Gymnastikübungen ein.

Wie wär’s mit ein paar Kniebeugen im Sonnenschein auf dem Balkon? Die Luft ist kalt, tut aber wahnsinnig gut. Auch mit dem Terra-Band kann ich auf kleinem Raum intensive Übungen durchführen. Das alles ersetzt zwar nicht meinen üblichen Sport, verhindert aber auf jeden Fall, dass ich einroste.

Es gibt einige Dinge, die in meinem normalen Tagesablauf zu kurz kommen. Jetzt habe ich Zeit, mal wieder mehr Brailleschrift zu lesen. Das Üben ist sehr wichtig, sonst verlieren die Finger die Sensibilität.

Auch gibt es in meiner Podcast-App wahnsinnig viele interessante Beiträge, für die ich sonst leider kaum Zeit habe. Wichtig ist jetzt, auch mal was ganz anderes als „Corona“ zu hören.

Gerne höre ich auch Sendungen in englischer Sprache, um meine Englischkenntnisse zu verbessern. Da unser wöchentlicher Konversationstreff derzeit nicht stattfindet, möchte ich mich unbedingt mehr um meine Vokabeln kümmern. Jetzt kommen ja nicht dauernd neue hinzu und ich kann endlich mal die aufgelaufenen lernen und als besondere Übung, kleine Geschichten damit schreiben.

Eine weitere schöne Beschäftigung sind ausführliche Telefongespräche mit all den netten Menschen, die man momentan nicht treffen darf. Auch spricht nichts dagegen, mal bei Nachbarn anzurufen, um zu fragen, wie sie zurechtkommen, ob sie etwas brauchen oder ob sie einfach nur mal erzählen wollen.

Auch eine schöne Beschäftigung: Einen kleinen Beitrag für Menschen-in-Hanau schreiben, wie ich es gerade mache.

Wenn mir dann alle Ideen ausgegangen sind, mein akustisches Handbuch fertig ist, alle meine angesammelten Info-CDs gehört, die Braille-Zeitungen ausgelesen und alle Bekannten angerufen sind, dann denke ich vielleicht auch mal daran, meinen Kleiderschrank und den Keller auszumisten.

Aber das wird sicher noch dauern und bis ich dazu komme, ist bestimmt wieder Normalität in unserem Alltag eingekehrt und solche langweiligen Tätigkeiten werden auf ein andermal verschoben.

 

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