post-title Von „Frauenquote“ bis „Gender-Sternchen“ – Ist mitgemeint nicht genug?

Von „Frauenquote“ bis „Gender-Sternchen“ – Ist mitgemeint nicht genug?

Von „Frauenquote“ bis „Gender-Sternchen“ – Ist mitgemeint nicht genug?

Vier Menschen sitzen im Kreis mit großen Abstand in einem blühenden Garten. Auf dem Gras liegen bunte Zettel mit Stichworten.

Feminismus-Diskussions-RAUM

Wir hatten Glück und konnten diesen Diskussions-RAUM wieder im Freien durchführen. Im Garten von Renate und Calle , ein wunderbarer Frei-Raum mit wohltuender Atmosphäre.

Die Diskussion startete mit einer Aufgabe:

In der Mitte der Runde lagen Karten, auf denen Begriffe, Zahlen oder Prozent-Angaben standen. Wir gingen mit Abstand um die Karten herum. Sollten uns die Karten merken, zu denen wir etwas sagen oder die wir gar nicht zuordnen konnten.

Die Auflösung kam im Anschluss:

  • 221 versus 488 = 221 weibliche Abgeordnete im Bundestag vs 488 männliche Abgeordnete
  • 75,6 % = der Frauen-Anteil in den Pflegeberufen (diese Prozentzahl ca. 75% gilt auch bei der Durchführung der unbezahlten Hausarbeit zuhause)
  • 8,6% = Anteil der weiblichen Vorstände eines DAX-Konzern im Jahr 2020
  • 7 : 1 = Anzahl der Bundeskanzler und Bundeskanzlerin

Die Zahlen zeigen ein klares Ungleichgewicht, dass sich durch viele Bereiche unserer Gesellschaft zieht, auch in der Politik. Aber würde es überhaupt einen Unterschied machen, wenn der Frauenanteil z.B. im Bundestag höher wäre?

Beispiele aus anderen Ländern zeigen, JA.

Kann der Staat die Aufteilung von Hausarbeit beeinflussen?

In Dänemark gibt es gesetzliche Regelungen zur Gleichstellung der Geschlechter. Dort teilen sich Männer und Frauen die Kindererziehung und Männer und Frauen werden gleiche Rechte in Bezug auf die Ausübung eines Berufs eingeräumt.

Mehr dazu hier.

Bei uns in Deutschland sehen wir auch heute noch eher das klassische Familien-Modell, sobald es an die Kinder-Planung geht. Die Frau steigt entweder ganz aus dem Beruf aus oder geht in Teilzeit.

Aber warum sollten Frauen nicht einfach zuhause bleiben, es ist doch gut, wenn sie sich um die Kinder kümmern?

Viele Frauen entscheiden sich bewusst für eine Kindererziehung in Vollzeit, aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber oft werden sie dafür langfristig gesehen bestraft:

  • Die Altersarmut ist bei Frauen sehr viel höher, da sie weniger in die Rentenkassen eingezahlt haben. Ihre Rentenhöhen liegen durchaus unter der Grundsicherung.
  • Sie verdienen meist weniger als Männer (selbst in gleichen Berufen), deswegen bleiben sie eher zuhause.
  • Frauen ohne Einkommen sind finanziell abhängig von ihren Partnern. Eine Trennung wird dadurch schwierig oder unmöglich, was insbesondere bei häuslicher Gewalt gefährlich ist.

In der Feminismus-Debatte geht es nicht darum, Frauen davon abzuhalten Kinder zu bekommen und diese selbst zu erziehen. Es geht eher darum, eine Infrastruktur zu schaffen, mit der man nicht wählen muss, ob man lieber Karriere macht oder eine Familie gründet. Mehrheitlich Hausfrauen, und Eltern, die eine längere Auszeit nehmen wollen, sollten die Chance haben, entweder trotzdem weiterzuarbeiten oder problemlos wieder in den Beruf einzusteigen.

Diese Infrastruktur ist aber abhängig von Arbeitgebern und politischen Entscheidungen. Und diese Entscheidungen werden von den mehrheitlich männlich besetzten Gremien und politischen Ämtern getroffen. Wie können wir das also verbessern?

Wir kamen schnell auf das Beispiel Frauenquote.

Was haltet Ihr von der Frauenquote in der Politik? Brauchen wir so etwas?

Die Runde war sich einig, dass gerade in der Politik eine Quote leider notwendig ist.

Allerdings scheint dies rechtlich gar nicht so leicht umsetzbar zu sein, wie wir den Ausführungen von Calle entnehmen konnten:

Das Land Thüringen hatte beschlossen, dass auf den Landeslisten der Parteien bei der Landtagswahl abwechselnd Männer und Frauen stehen müssen (Paritätsgesetz). Aber die AfD hat dagegen geklagt und Recht bekommen, weil diese Regelung mit der in der Thüringer Verfassung festgeschriebenen Freiheit der Wahl unvereinbar sei.

Diese gewährleistet, dass die Entscheidung für eine bestimmte Partei oder einen bestimmten Kandidaten nicht durch staatlichen Zwang beeinträchtigt werden darf.

Die Parteien können eine, wie auch immer gestaltete Frauenquote selbst festlegen. Sie können aber nicht dazu „gezwungen“ werden.

Eine der Teilnehmerinnen stellte die Frage, ob es denn nicht wiederum für Wähler*innen ein Zwang ist, wenn sie nur Männer zur Auswahl haben?

Dies warf wiederum die Frage auf, warum Politik für Frauen scheinbar so unattraktiv ist.

Warum beteiligen sich nicht so viele Frauen in der Politik?

Da überwiegend Männer politisch aktiv sind, hat man als Frau oft eine Außenseiter-Rolle, was nicht immer einfach ist. Bestimmte Verhaltensweisen, werden scheinbar vorausgesetzt, um überhaupt mit am Tisch sitzen zu dürfen.

In diesem Comic-Video-Clip wird sehr anschaulich gezeigt, wie es sich anfühlen kann, wenn man „alleine“ in eine Gruppe kommt und was passiert, wenn man versucht sich anzupassen.

 

Können sich Frauen in der Politik also nur durchsetzen, wenn sie sich benehmen, wie ihre männlichen Kollegen? Schwierig, da Frauen, die ähnliches Verhalten zeigen wie Männer auch gerne genau dafür negativ betrachtet werden können. Das Urteil ist bei Frauen scheinbar oft schneller gefällt, auch unter Frauen untereinander, weshalb es hier noch keine gesunde Fehlerkultur gibt.

Diese Argumentation wurde unterstützt durch den Einwurf einer Diskutierenden: Es gibt eine Studie, in der gezeigt wurde, dass junge Juristinnen nicht gerne Rollen übernehmen, in denen sie Fehler machen können. Frauen müssen perfekt sein (auch in ihren eignen Augen).

Ein weiterer Aspekt, der es einigen Frauen erschwert, sich politisch zu beteiligen, sind beispielsweise Uhrzeiten, zu denen politische Sitzungen stattfinden. Hier in Hanau finden die Stadtverordneten-Versammlungen in der Regel von 17-22 Uhr statt. Mit einer Familie so gut wie nicht vereinbar und wird noch schwerer, wenn auch noch berufliche Verpflichtungen hinzukommen. Bei der bildlichen Vorstellung, dass eine junge Mutter von der Arbeit direkt zu einer Stadtverordneten-Sitzung geht und gegen 22.30 Uhr nach Hause kommt … – mussten alle den Kopf schütteln. Es war eher schwer, sich so etwas vorzustellen.

Aber können Männer die Themen, die das Leben von Frauen beeinflussen nicht auch vertreten?

Dies wurde als eher schwierig beurteilt, da Männer viele Probleme und Bedürfnisse von Frauen nicht selbst erleben können und scheinbar auch nicht in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Daher ist Vielfalt so wichtig, um unterschiedliche Perspektiven zu unterschiedlichen Themen einfließen zu lassen. Und Vielfalt beginnt bereits in der Sprache.

Gendern Ja / Nein?

Das Thema gendergerechte Sprache ist sehr polarisierend. Während die einen es als absolut überflüssig empfinden, legen andere großen Wert darauf. In unserer Runde wurden beide Seiten diskutiert und es leuchtete allen ein, dass wir schon früh Vorbilder brauchen, um uns etwas vorzustellen zu können.

Studien-Beispiel:

Kinder, die im Kindergartenalter nach Berufswünschen gefragt werden, nennen Berufe, die der Endung nach auch für ihr Geschlecht in Frage kommen.

So nennen Mädchen nicht den Wunsch „Pilot“ zu werden, weil sie davon ausgehen, dass ist nur etwas für Jungs.

Angela Merkel, als erste Bundeskanzlerin, ist daher ungemein wichtig für junge Mädchen und Frauen, die sich nun selbst leichter vorstellen können, in die Politik zu gehen.

Wenn man Frauen nicht nur irgendwie mitdenkt, sondern aktiv an Prozessen und Entscheidungen beteiligt, gäbe es vielleicht auch neue Lösungen für die Herausforderungen und Probleme dieser Zeit.

Warum „mitgemeint“ nicht reicht

Es gibt in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und auch im Straßenverkehr viele Beispiele, in denen Frauen nicht wirklich mitgedacht werden. Hier einige Beispiele:

  • Crash-Test-Dummies – Dies sind männliche Körper, die Proportionen stimmen mit denen von Frauen nicht überein, genauso wie das Gewicht. Mit der Folge, dass Frauen bei Unfällen schwerer verletzt werden als Männer.
  • Medikamenten-Dosierungen ­– Viele Arzneimittel werden an Frauen überhaupt nicht getestet, wodurch sie der Gefahr von Überdosierung oder Unwirksamkeit ausgesetzt sind.
  • Werkzeuge – sind oft nur für männliche Körper und Hände genormt.

Wer sich tiefer mit dem Thema befassen möchte, sollte das Buch von Caroline Criado Perez – Unsichtbare Frauen unbedingt lesen. Dort findet ihr diese Themen und viele mehr im Detail.

Fazit des Diskussions-RAUMs

Wir müssen es als Gesellschaft schaffen, dass alle Menschen gleiches Geld für gleiche Arbeit bekommen und dass man als Frau nicht gezwungen wird zwischen Beruf und Familie entscheiden zu müssen. Dafür brauchen wir mehr Repräsentation in entscheidenden Positionen.

Die Frauenquote ist zurzeit vielleicht auch notwendig, um zu sensibilisieren und so Überlegungen zu demokratischeren Prozessen anzuregen.

Männer und Frauen sollten die „alten“ Rollenbilder abschaffen und neue gestalten. Jede:r kann der Dominostein sein, der alles ins Rollen bringt.

Je vielseitiger die Beteiligung im Arbeitsleben und der Politik ist, desto besser. Dabei sollten nicht nur unterschiedliche Geschlechter berücksichtigt werden.

Wir hatten diesen Diskussions-RAUM nicht nur auf die Teilnahme von Frauen beschränkt. Vielleicht hat unser provokanter Titel Männer abgeschreckt?

Jedenfalls war es wieder eine offene respektvolle Runde starker Frauen mit einem starken „Quoten-Mann“.

Erklärungen:

Gender
Auf dieser Webseite www.genderdings.de findet ihr gute Erklärungen zu dem Thema in leichter Sprache, sie beginnen z.B. so …

Was ist Gender?
Gender ist ein englisches Wort.
Man spricht es so aus: Tschender.
Auf Deutsch bedeutet es Geschlecht.
Aber:
Den Begriff Gender verwenden wir für
das soziale Geschlecht.
Das soziale Geschlecht ist das Geschlecht …

zum vollständigen Artikel geht’s hier

Parität
Gleichstellung / Gleichberechtigung
In der Politik bedeutet dies ein gleichmäßiges Verhältnis von Stimmen in einem Gremium.

Weiterführende links:

https://www.frauenrat.de/die-kampagne-mehrfrauenindieparlamente/

Eine Mitschrift von Cettina und Sylvie

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