Es ist die 11. Aufführung des Stückes in dieser Saison und dennoch ist es eine Premiere für die Brüder Grimm Festspiele: Am Sonntag, 16. Juli, werden erstmals zwei Gebärdendolmetscherinnen das bekannte Märchen vom „Teufel mit den drei goldenen Haaren“ für Gehörlose übersetzen.
Mit diesem Angebot wird eine Barriere aufgehoben, um auch gehörlosen Erwachsenen und Kindern eine Teilnahme am öffentlichen kulturellen Leben zu ermöglichen.
„Hanau ist in Hessen die erste Festspielstadt, die Theater für Gehörlose anbietet, und übernimmt damit eine Vorreiterrolle“, unterstreicht Intendant Frank-Lorenz Engel die Bedeutung dieses neue Angebots.
Die Idee entstand im Rahmen des Modellprojekts Inklusion der Stadt Hanau. Seit 2016 entwickelt eine Projektgruppe eine inklusive Webseite (www.menschen-in-hanau.de). Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen arbeiten zusammen daran, das Thema Inklusion in und für Hanau interessant zu machen.
Als im April 2016 bei der „Menschenkette für Vielfalt“ auch Mitglieder des Festspiel-Ensembles aktiv dabei waren, entwickelte sich aus diesem Kontakt die Überlegung, auch Gehörlosen die Teilhabe an den Brüder Grimm Festpielen zu ermöglichen.
Der Gehörlosenverein Hanau und Umgebung mit seinen fast 100 Mitgliedern war sehr daran interessiert, eine der Märchenaufführungen zu besuchen. Das Team der Festspiele um Intendant Engel und Regisseur Jan Radermacher waren sofort begeistert von diesem Projekt, das eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten ist.
Bei einem Theaterstück müssen die Gebärdendolmetscher schnelle Rollenwechsel auch körperlich deutlich machen.
Mimik und Gestik sind sehr expressiv, um die Emotionen zu transportieren.
Lieder simultan zu gebärden geht noch einen Schritt weiter, da Rhythmus und Takt hinzukommen. Da die Grammatik der Deutsche Gebärdensprache anders ist als die der deutschen Lautsprache, müssen die Dolmetscherinnen bei Liedern den Inhalt in der anderen Grammatik „rüberbringen“ und dabei gleichzeitig im Rhythmus der Melodie bleiben.
Schwierig ist, dass eine Schauspielerin in Tempo und Betonung variiert, eine Sängerin aber an die Regeln der Musik gebunden ist.
Eine spannende, abwechslungsreiche Verdolmetschung ist nur möglich, wenn die Dolmetscherinnen die Texte fast ganz auswendig können. Das erfordert eine intensive Vorbereitung.
Am Sonntag werden die beiden Gebärdendolmetscherinnen Kathrin Enders und Yvonne Barilaro rechts vor der Bühne stehen und von dort aus die gesamte Aufführung abwechselnd simultan mit Gebärden übersetzen. Auf den reservierten Plätzen in den ersten fünf Reihen haben gehörlose Zuschauer die beste Sicht auf die Dolmetscherinnen.
Zum Hintergrund: Die Dolmetscherinnen
Kathrin Enders (41) lebt in Bad Nauheim und ist seit November 2015 als selbstständige Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache tätig. Zuvor arbeitete die ausgebildete Schauspielerin von 1999 an in verschiedenen Theatern in Deutschland sowie für Filmproduktionen. In Hanau stand sie 2013 bei den Brüder-Grimm-Festspielen in „König Drosselbart“ auf der Bühne. Mit der Gebärdensprache kam sie erstmals 2012 am Stadttheater Münster in der Rolle der „stummen Kattrin“ in dem Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“ in Berührung. Ihre Faszination für diese Sprache mündete in eine Ausbildung zur staatlich geprüften Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache.
Yvonne Barilaro (36) ist in Frankfurt geboren und in drei Kulturen aufgewachsen. Sie hat deutsche und italienische Wurzeln und ist mit der Gehörlosenkultur groß geworden, denn Mutter und Vater sind gehörlos. Die Deutsche Gebärdensprache ist neben der deutschen und italienischen Lautsprache ihre Muttersprache. Nach ihrem Schulabschluss hat sie mit dem Dolmetschen angefangen. Ihre Einsatzbereiche und Einsatzorte sind vielfältig. So hat sie unter anderem bei der Musikshow The Dome und in Frankfurter Theatern gedolmetscht. Seit einiger Zeit ist Yvonne Barilaro bei Kindertheater-Aufführungen im Haus am Dom in Frankfurt dabei.
Auch die Hanauer Tageszeitungen berichten darüber:
Sonderseite aus dem Hanauer Anzeiger vom 13. Juli 2017
Artikel aus Hanauer Anzeiger vom 17. Juli 2017
Artikel aus der Hanau Post vom 13. Juli 2017
Meinungen der Zuschauer:
Hier geht’s zu allen Videos von „Menschen in Hanau“: Youtube Account